Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LPT |
Eingereicht: | 27.03.2019, 17:34 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Demokratie verteidigen: Unser 11-Punkte-Plan gegen Rechts!
Beschlusstext
Der Landesparteitag beschließt:
Rechtsradikale Ideologie ist tief verankert in der deutschen Gesellschaft.
Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie, Transfeindlichkeit,
Islamfeindlichkeit und völkischer Nationalismus muss auch in Schleswig-Holstein
mit allen geeigneten rechtsstaatlichen und gesellschaftspolitischen Mitteln
entschlossen entgegengetreten werden.
Die offene, freiheitliche Gesellschaft ist in Gefahr, wenn menschenfeindliches
Gedankengut immer häufiger unwidersprochen gesagt werden kann. Rechte bedienen
in unterschiedlichsten Gruppierungen und Zusammenschlüssen nicht nur den
gesellschaftlichen Rand, sondern wirken bis in die Mitte der Gesellschaft. Sie
bestimmen immer häufiger einen ausgrenzenden politischen Diskurs durch
Tolerierung von Gewalt, die Nichtanerkennung staatlicher Gewalt, ihre
Bereitschaft freiheitliche Rechte einzuschränken und radikalisieren sich in
ihrer Weltanschauung weiter.
Dazu zählen wir neben der subkulturellen oder militanten Neonazi-Szene, den
rechten Parteien, der „Neuen“ Rechten explizit auch die
Reichsbürger*innenbewegung, völkische Nationalist*innen, die rechte Musik- und
Kampfsportszene und den Rassismus der „Mitte der Gesellschaft“. In ihrer
Weltanschauung teilen sie dieselben „Blut und Boden“-Ideologien und propagieren
das Aussterben der „Volksgemeinschaft“, die eine nationalsozialistische
Konstruktion von „Rasse und Raum“ aufgreift.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Kräfte, einer Spaltung der Gesellschaft
unmissverständlich entgegenzuwirken. Der freiheitliche, demokratische
Rechtsstaat duldet es nicht, wenn Menschen beschimpft, verhetzt und wegen ihrer
Herkunft, ihres Aussehens ihres demokratischen Engagements, ihrer sexuellen
Orientierung oder geschlechtlichen Identität, ihrer Religion, wegen einer
Behinderung oder Obdachlosigkeit beleidigt, bedroht und angegriffen werden.
Der Landesparteitag fordert dazu auf,
in Kooperation aus Land, Kreisen und der Zivilgesellschaft ein Maßnahmenprogramm
gegen die Bedrohung unserer offenen Gesellschaft durch Rechtsradikalismus, Hass
und Hetze zu erstellen. Dabei sollen insbesondere folgende Eckpunkte umfasst
werden:
1. Opfer rechter Gewalt schützen
Die Opferperspektive soll den zentralen Ausgangspunkt im Umgang mit Rassismus
einnehmen. Für den Schutz der Opfer ist eine sichergestellte psychologische
Betreuung und eine angemessene Entschädigung notwendig. Polizei und
Staatsanwaltschaft sollen dazu verpflichtet werden, Opfer rechter Angriffe über
die Beratungsangebote in Schleswig-Holstein zu informieren. Außerdem wissen wir
von Opferangehörigen, dass es durch rassistische Strukturen häufig eine Opfer-
Täter Umkehr gibt, die zu langfristiger gesellschaftlicher Benachteiligung
führen kann. Für Opfer rechter Gewalt braucht es daher eine positive
Perspektive. Für Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht/ deutsche
Staatsangehörigkeit bietet ein Bleiberecht als Opfer rechter Gewalt einen guten
Ansatz. Gleichzeitig ist ein Bleiberecht in solch begründeten Fällen ein klares
Signal gegen die politische „Ausländer raus“-Zielsetzung rassistischer
Gewalttäter*innen. Neben einem Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt fordern wir
eine wissenschaftliche Statistik zu Opferzahlen rechter Gewalt und mehr
Beratungsangebote für einen besseren Zugang zu den Fonds zur Entschädigung von
Opfern rechter Gewalt.
2. Nachhaltige Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit, Präventionsarbeit
massiv ausbauen, politische Bildung stärken
Wir fordern ein nachhaltiges zivilgesellschaftliches Engagement. Insbesondere
müssen zivilgesellschaftliche Träger eine langfristige Perspektive erhalten. Die
Stärkung der freiheitlichen Demokratie durch politische Bildung ist eine Aufgabe
der Nachhaltigkeit und muss strukturell finanziell abgesichert werden.
Einjahresverträge sorgen bei den Trägern für unsichere Jobs und ungewisse
Lebensplanungen. Daher soll weiterhin versucht werden, entsprechende Arbeit zu
entfristen. Eine Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit muss auch bei
wechselnden politischen Mehrheiten gewährleistet sein.
Wir fordern eine zielgerichtete Demokratiebildung für alle Altersgruppen und
Möglichkeiten sich auch nach den etablierten Schul- und Jugendprogrammen über
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit fortbilden zu können. Es muss ein
Verständnis für die freiheitliche Demokratie entstehen und die Gegensätze zur
(Neu)-Rechten Ideologie aufgezeigt werden. Lehrkräfte sollen durch Fortbildungen
und Angebote im Studium künftig in der Lage sein, Antisemitismus und (Neu)-
Rechte Tendenzen in der Klasse frühzeitiger zu erkennen und besser
entgegenzuwirken.
3. Rechtsextreme Events begleiten und Einnahmen versteuern
Es gibt kein ruhiges Hinterland. Auch in Schleswig-Holstein muss die
Landesregierung prüfen, in wie weit Rechtsrockkonzerte, rechte Kampfsportevents
oder rechte Liederabende Privatveranstaltungen sind, oder als Einnahmequelle für
die rechte Szene dienen. Einnahmen aus den kommerziellen Veranstaltungen müssen
versteuert und öffentlich gemacht werden.
4. Rechtsradikalen Dominanzbestrebungen überall entgegenwirken
Ob Jüdische- oder Türkische Gemeinden, ob Vereine, oder Dorfgemeinschaften. Das
Land muss mit der Zivilgesellschaft daran arbeiten, dass keine „Angst-Räume“
durch rechtsradikale Dominanzbestrebungen entstehen. Dafür kann das Land
explizit in den Orten, in denen es zu Bedrohungen oder Verbreitung von rechten
Strukturen kommt durch demokratische Infrastruktur, Kultureinrichtungen und
Investitionen in die Sozial- und Jugendarbeit reagieren. Dabei bekennen wir uns
zu den zivilgesellschaftlichen Initiativen, die antifaschistische Arbeit leisten
und in den Kommunen rechter Dominanz entgegentreten.
Beratungsorganisationen sollen dazu befähigt werden, durch Sozialarbeit früh in
der Lage zu sein, solche Dominanzbestrebungen zu erkennen und ihre Beratungen
gezielt anzubieten.
5. Die Erinnerungskultur weiter ausbauen
Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus, das würdige Gedenken
an die Opfer und die Lehren aus der Geschichte bilden die Grundlage unseres
freiheitlichen, demokratischen Gemeinwesens. Ein „Nie Wieder“ wollen wir durch
eine bessere Erinnerungskultur mit Leben füllen. Wir fordern eine
Auseinandersetzung mit Opfern rechter Gewalt nach 1945 und eine Aufarbeitung der
Verantwortung der Hafenstädte und des Landes Schleswig-Holstein im
Kolonialismus.
Besonders im Bereich der Verantwortung im Kolonialismus hat Schleswig-Holstein
die Chance Vorreiter zu werden und damit eine grundlegende Auseinandersetzung
mit Rassismus zu ermöglichen
6. Rassismus erkennen, Rassismus benennen
Wir fordern eine intensive Auseinandersetzung mit strukturellem und
institutionellem Rassismus. Ob „Racial Profiling“ oder eine Ungleichbehandlung
von Bewerber*innen aufgrund eines Kopftuches - Struktureller Rassismus ist
verfassungswidrig, weil er der Gleichbehandlung in Artikel 3 des Grundgesetzes
widerspricht. Trotzdem ist er für Opfer von Rassismen Alltag. Wir erkennen dies
als stark vernachlässigtes Thema in der Öffentlichkeit und der Politik an. Es
braucht eine höhere Repräsentation von Migrant*innen in gesellschaftlich
wichtigen und sichtbaren Positionen. Die Landesregierung soll sich für ein
Partizipationsgesetz für Menschen aus Einwanderungsfamilien auf Bundesebene
stark machen. Außerdem fordern wir ein kommunales Monitoring über
Alltagsrassismus in ganz Schleswig-Holstein mit wissenschaftlicher Begleitung.
7. Sicherheitsbehörden besser gegen Rechtsradikalismus aufstellen
Die Sicherheitsbehörden müssen besser befähigt werden, Gefährdungen durch
rechtsextremistische Netzwerke und Strukturen sowie rechtsextremistisch
motivierte Gewalt bis hin zu terroristischer Bedrohung tatsächlich zu erkennen.
Besonders das Erkennen von Rechtsextremismus und die Gefahr, die durch völkische
und eingeschworene Gemeinschaften, bis hin zur europäischen und internationalen
Kooperationen von Rechtsextremen, müssen viel stärker in den Blick genommen
werden. Wir sprechen uns weiterhin gegen den Einsatz von bezahlten V-Leuten in
den rechtsextremen Strukturen aus, um eine Förderung der Szene zu verhindern.
Gerade durch die Veränderung der rechten Szene in den letzten Jahren, fordern
wir die Ermittlungsbehörden mit mehr sozialwissenschaftlicher Kompetenz
auszustatten, um etwa das Vordringen rechter Akteur*innen in den sog.
„vorpolitischen Raum“ (Schulen, Redaktionen usw.) und die Strategie dahinter
frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.
8. Hass und Hetze im Netz effektiv durch Zivilgesellschaft und Rechtsstaat
entgegentreten
Rechtsextreme Ideologie verbreitet sich durch Propaganda in den sozialen Medien
immer einfacher. Außerdem dienen Facebook und Co. Neonazis zur Vernetzung und
Radikalisierung. Wir fordern eine konsequente staatliche Verfolgung strafbarer
Inhalte sowie eine anschließende Löschung durch die Betreiber*innen und eine
finanzielle Grundlage für die Bekämpfung von Hass im Netz auch für staatliche
Behörden und zivilgesellschaftliche Vereine.
9. Hassgewalt konsequent erfassen und ermitteln
Immer wieder kommt es zu rechtsextrem motivierter Gewalt. Dabei ist eine geringe
Aufklärungsquote, geringe Strafen und nicht vollstreckte Haftbefehle gegen
rechtsextreme Straftäter*innen bedauerlicher Status-Quo. Polizei und Justiz
müssen durch Aus- und Weiterbildung im Bereich der Bekämpfung von
Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gefördert werden.
10. Ein strengeres Waffenrecht vorlegen
Die rechtsextreme Ideologie predigt einen „Kampf gegen die BRD“. Es wird auch
dazu aufgerufen sich zu bewaffnen. Neben dem Entzug der „waffenrechtlichen
Erlaubnis“ für identifizierte Rechtsradikale fordern wir allgemein striktere
Regeln für Anträge auf eine Waffenerlaubnis, den Verbot für halbautomatische
Waffen für Privatpersonen und eine konsequente Überprüfung von privaten Waffen-
und Munitionsbeständen.
11. Antisemitismusbeauftragten schaffen
Antisemtische Vorfälle und Übergriffe sind weiterhin Realität, auch in
Schleswig-Holstein. Deshalb fordern wir in Ergänzung der neu gestarteten
unabhängigen Meldestelle für Antisemitismus in Schleswig-Holstein eine*n
Beauftragte*n des Landes für Jüdisches Leben und Antisemitismus in Schleswig-
Holstein.